Korruption im Gesundheitswesen
Erstellt von r.ehlers am Freitag 31. Juli 2015
Die Bundesregierung will das Strafrecht dahingehend ergänzen, dass künftig auch Kassenärzte und alle anderen Mitglieder der Heilberufe bestraft werden können, wenn sie gegen Bezahlung oder sonstige Vorteilsnahme die Heilmittel bestimmter Anbieter bevorzugt verschreiben oder gegen eine Fallpauschale Patienten an Dritte weiterleiten. Bisher machen sich nur angestellte Ärzte mit solchem Verhalten strafbar. Die Tagesschau informierte über eine Schätzung, dass so bisher jährlich 10 Milliarden Euro Schmiergelder flössen. Am Ende wird das natürlich auf die Heilmittelpreise geschlagen und ist von den Patienten zu bezahlen.
Ein Skandal ist dieser Übelstand nicht, weil die Situation doch schon seit mindestens 50 Jahren dieselbe ist, jeder Bescheid wusste und niemand etwas dagegen unternahm. Ein Skandal ist, dass so lange gar nichts geschah!
An diesem Punkt setzt aber meine Verwunderung ein. Soll es wirklich so sein, dass unsere Regierung gegen die Wünsche mächtiger Unternehmen handelt – so wie sie nach Fukushima plötztlich gegen den Willen der Energielobby das Aus für die friedliche Nutzung der Atomkraft erklärte? Offenbar haben die strengen Verschwörungstheoretiker gar nicht in allem Recht.
Jedenfalls handelt hier wohl einmal die Politik gegen die Interessen der Pharmalobby und im Interesse der Allgemeinheit!
Aber H A L T ! Sehen wir vielleicht nur das, was wir sehen s o l l e n?
Natürlich streiten sich Pharmakonzerne als Ausstatter von Arztpraxen und Apotheken darum, dort mit viel Geld bei den Investitionen zu helfen, damit bevorzugt ihre Medikamente unter die Verbraucher kommen. Wenn sie das nicht mehr tun dürfen, ist das nicht ihr größtes Problem. Sie sparen dann ja auch eine Menge Geld.
Das größere Problem der Großanbieter sind nämlich:
die Angebote von Gesundheitsprodukten und Heilmitteln, die die Konsumenten gesund halten oder gesund machen, ohne dass es dazu eines Einsatzes von Pharmaprodukten überhaupt bedarf.
Der Gesetzgeber arbeitet den Großanbietern insoweit bereits sehr effektiv zu, indem er die gesundheitsbezogen Aussagen über die Wirkungen von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und allem, was aus Lebensmitteln gewonnen wird, aber keine Arznei ist, unter Strafandrohung verbietet. Er kleidet das zwar in der Health Claims Verordnung in die Rechtsfigur des „Verbots unter Erlaubnisvorbehalt“, praktisch zieht aber nur das Verbot der Werbung. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist dann noch so einfallsreich gewesen, selbst die Erwähnung der hypothetischen Möglichkeit einer gesundheitlichen Wirkung ganz genau so zu verbieten wie eine definitive Wirkbehauptung (von der allein das Gesetz spricht). s. http://www.essenspausen.com/ovg-muenster-traeger-des-stinkfruchtpreises/.
Um dennoch im Rennen zu bleiben, gewähren viele der Anbieter der „Heilmittel, die sich so nicht nennen dürfen“ den Therapeuten, die sie ihren Patienten empfehlen, wirtschaftliche Vorteile. Wie das im Detail geschieht, dringt nicht so recht nach außen. Gelegentlich geschieht das auch so geschickt, dass es als Bestechung/Korruption kaum zu werten ist.
Wohlgemerkt: Das ist alles derzeit völlig legal, nach meiner Überzeugung sogar legitim und gerechtfertigt, wenn wie oft gerade diese „alternativen“ Heilmittel einzig hilfreich sind! Mit dem neuen Gesetz, das solches Vorgehen inkriminiert und pönalisiert, kann man sie aber alle „packen“!
Das Strafrecht hat indes keine innere Berechtigung, wenn es nicht aus einer im Staatsvolk gewachsenen Moral entspringt. Wo aber ist der Unwertgehalt ? Das Verhalten eines Therapeuten, der ein alternatives Heilmittel, von dem er erkannt hat, dass es seinen Patienten hilft, bei ihnen bewirbt. tut nur seine Pflicht. Wenn er sich vom Hersteller des Produkts einen Empfehlungsbonus geben lässt, profitiert der Hersteller, der selbst nicht werben darf, von der Empfehlung durch den Therapeuten, der die eigentliche Überzeugungsarbeit für den alternativen Heilweg und das Produkt leistet. Aus moralischer Sicht schlagen doch erst die Glocken an, wenn der Therapeut ein Produkt unter seine Patienten bringt, das nichts taugt und/oder im Vergleich mit anderen zu teuer ist.
Der Strafgesetzgeber muss die Grenzen zum Verbot der Schmiergeldannahme einhalten. Tut er das nicht, muss man seine eigenen Motive hinterfragen.